Januar 2003
Wilhelm Willms aus Heinsberg ist tot. Er starb am 25.Dezember 2002. Wurde 72 Jahre jung. Wir alle sind sehr traurig. Er war ein wunderbarer Lyriker, ein so liebenswerter, frohgemuter Mensch. Er war der allererste Gast unserer
Reihe "Wenn die Kleine Kirche Flügel trägt". Wir sind dankbar, dass wir mit ihm zusammenarbeiten konnten, zuletzt auf dem Frankfurter Kirchentag 2001, dass wir uns näher kommen konnten. Der nachfolgende Text, ich glaube, er hätte
ihm gefallen.
Das Neue Jahr
Ob es vielleicht doch das Alte ist?
Und es nur keiner merken will,
dass es uns an der Nase herumführt.
Auf jeden Fall soll diesmal alles anders werden.
Kein Anruf, was macht Ihr an Silvester.
Kannst Du vielleicht eine Schüssel Nudelsalat mitbringen.
Seid bitte pünktlich, wir wollen rechtzeitig
mit dem Fondue beginnen.
Auch kein "Dinner For One" in den Dritten Fernsehprogrammen.
Kein Bleigießen. Kein Feuerwerk.
Wir treffen uns um fünf vor zwölf
an der letzten Tankstelle vor der Stadtausfahrt.
Das Neue Jahr trägt einen knappen Minirock
aus Leder. Mit Fransen.
Cowboystiefel. Dicke Ringe am kleinen Finger.
Ich stecke in einem Anzug, den ich mal wieder zu groß gekauft habe.
Mein Hemd hängt aus der Hose.
Ich kann immer noch keine Krawatten binden.
Habe den obersten Hemdenknopf auf.
Während ich die Corvette voll bis an den Rand tanke,
schauen wir uns tief in die Augen.
Irgendwie scheint mir das Neue Jahr in den Plastiktüten
zwischen Raketen und leeren Flaschen, vertanen Chancen,
enttäuschten Hoffnungen steckengeblieben zu sein.
Aber es riecht gut.
Auch ich bin steckengeblieben.
Als es zwölf Uhr schlägt,
die Kirchenglocken läuten, die Böller losdröhnen,
haben wir gerade die dunklen Wolken der Stadt hinter uns gelassen.
Bis zum letzten Tropfen werden wir den Tank leer fahren,
den Sonnenstrahlen entgegen.
Und keiner fragt, was habt Ihr hier verlorn.
Vor uns ein anderes Glück.