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AbendSchöner

Zwischenton


 

 


August 2010

Die Caritas Baden-Baden pflegt auf ihrer Homepage eine schöne Tradition. Regelmäßig unregelmäßig gibt es dort unter dem Leitwort "Zur Caritas fällt mir ein" Gastbeiträge von mit ihr Verbundenen. Über die Einladung, mich daran zu beteiligen, habe ich mich sehr gefreut.


Zur Caritas fällt mir ein, dass es nicht das Ziel (m)eines Lebens sein sollte, der reichste Mann auf dem Friedhof zu werden. Und mir fällt zur Caritas meine Geschichte vom "Habewas und Habenichts" ein ...

Habewas und Habenichts

Es war einmal ein Habewas. Der besaß alles, was man sich nur vorstellen kann. Geld, Macht, ein prächtiges Schloss, eine erste Frau am Herd, eine zweite Frau im Bett, frisch gebügelte Hemden im Schrank. Er roch nach teuerem Parfüm, hatte die Fingernägel geputzt, kleidete sich nach der aktuellen Mode, verteilte goldene Visitenkarten, telefonierte und reiste geschäftlich um die ganze Welt, sammelte Antiquitäten, verschönte sich die Abende mit feinem Essen, handverlesenen Dekolletes.

Wann immer ihm möglich war er "Nach Diktat verreist", um sein Handicap beim Golfspiel zu verbessern. Denn er hatte eine grenzenlose Vorliebe für Menschen und Dinge, die absolut perfekt sind. Schon ein Quentchen Disharmonie konnte ihn völlig aus dem Gleichgewicht bringen. Die Bücher, die er las, hatten keine Druckfehler, kein Bild hing schief im Schloss, sein Wagen zeigte nicht die Spur von einem Kratzer, sein markantes Kinn duldete keinen einzigen Bartstoppel. Er prügelte sich nicht, soff und rauchte nicht, und montags wies er die Putzfrau an, den Müll vor die Tür zu stellen. Er fuhr niemals aus seiner Haut, auch weil er gar nicht wusste wohin.

Aber obwohl er doch so perfekt war, alles zu haben schien, alles machen, alles kaufen konnte, war er, wie übrigens alle Habewase, im Innern seines Herzens nicht glücklich. Die Angst, all das, was er besaß, vielleicht einmal verlieren zu können, die Sorge, es zu erhalten und nach Kräften noch zu mehren, seine Besessenheit, alles noch perfekter zu machen, ließen ihn nie zur Ruhe und zu sich selbst kommen.

Da hörte er eines Tages von den Habenichtsen. Diese lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende, obwohl sie nichts besaßen, obwohl sie in seinem Sinne überhaupt nicht perfekt waren. Und er bat einen von den Habenichtsen zu sich.

"Habenichts", sagte er. "Ich erfülle Dir jeden Wunsch und mache Dich zu meiner Rechten Hand, wenn Du mir das Geheimnis Deines glücklichen und zufriedenen Lebens preisgibst."

Der Habenichts überlegte kurz, zuckte mit den Schultern und antwortete:
"Oh Habewas, danke für Dein so großzügiges Angebot. Aber mir reicht das, was ich habe. Mehr brauche ich nicht. Auch will ich nicht mehr werden. Ich bin mit dem zufrieden, was ich schon bin. Ich bin Habenichts."


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